Was sind Essstörungen?
In den letzten Jahrzehnten haben Essstörungen deutlich zugenommen, insbesondere in den westlichen Industriestaaten. Dies mag uns zunächst einmal nicht verwunderlich erscheinen, betrachtet man die allgegenwärtigen Schönheitsideale in den Medien. Jedoch ist dies tatsächlich nur eine von vielen Ursachen bzw. Faktoren, die gerade bei Kindern und Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen zunehmend häufiger zu Essstörungen führt. Essstörungen entstehen immer auch durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, es handelt sich um ein "multifaktorielles" Geschehen.
Charakteristisch für Essstörungen ist, dass Hunger und Sättigung sowie die damit verbundene Nahrungsaufnahme nicht mehr funktionieren. Es besteht eine übermäßige gedankliche Beschäftigung mit dem Thema Essen, oft richtet sich sogar der Großteil des Tagesablaufs danach. Das Verhältnis zum eigenen Körper sowie dessen Wahrnehmung sind häufig gestört. Angst davor dick zu werden, unangenehme Gefühlszustände - z. B. Unsicherheit, Angst oder Ärger - werden entweder durch eine dauerhaft eingeschränkte Kalorienaufnahme oder durch wiederkehrende Essanfälle reguliert und führen zu einem Teufelskreis, aus dem ein Ausstieg allein ohne Hilfe von außen oft unmöglich erscheint. Dabei kommt es gerade bei Essstörungen zu schwerwiegenden körperlichen - teilweise sogar lebensbedrohlichen - Folgeerkrankungen.
Welche Erscheinungsformen gibt es?
Magersucht (Anorexia nervosa): Bei der Magersucht handelt es sich um eine schwere Essstörung mit häufig langwierigem Krankheitsverlauf. Typisch für die Magersucht sind ein plötzlich auftretender starker Gewichtsverlust oder anhaltendes Untergewicht. Die Überzeugung, trotz Untergewicht "zu dick zu sein", eingeschränkte Nahrungsaufnahme oder gegensteuernde Maßnahmen, z. B. massives Sporttreiben, Gebrauch von Abführmitteln, werden zur Gewichtskontrolle eingesetzt. Auch wenn zu Beginn der Magersucht oft erst einmal positive Gefühle vorherrschen, entwickelt sich im Verlauf zunehmend eine depressive Stimmung, Reizbarkeit und ein gewisser "Zwang", mit den gewichtskontrollierenden Maßnahmen fortzufahren. Da der Körper nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird, treten zunehmend Mangelerscheinung auf. Es kann zu bedrohlichen körperlichen Erkrankungen und psychischen Folgen kommen.
Bulimie (Bulimia nervosa): Im Vordergrund der Bulimie stehen regelmäßige Essanfälle, im Rahmen derer in kürzester Zeit mehr Nahrung verschlungen wird als die meisten Menschen in vergleichbarer Zeit zu sich nehmen würden. Begleitet sind Essanfälle dabei von dem Gefühl, nicht mehr kontrollieren zu können, was man isst und nicht mehr damit aufhören zu können. Da das Körpergewicht sehr eng gekoppelt ist an den Selbstwert, werden auch bei der Bulimie extreme Maßnahmen zur Gewichtskontrolle ergriffen, typische Beispiele sind Hungern über einen bestimmten Zeitraum, unregelmäßiges Essen bzw. Auslassen von Mahlzeiten, extremes Sporttreiben, Gebrauch von Abführmitteln, Erbrechen, Einnahme von Medikamenten. Die Essanfälle sind oft schambesetzt. Im Verlauf der Bulimie kommt es oft zu sozialem Rückzug. Ernste körperliche und psychische Folgeerkrankungen können auftreten.
Binge-Eating-Störung: Bei dieser Essstörung treten wiederkehrende Essanfälle auf, über die der Betroffene die Kontrolle verloren hat. Es kommt zur Aufnahme großer Kalorienmengen, der Essanfall wird erst dann beendet, wenn ein Völlegefühl einsetzt. Anschließend stehen oft Gefühle von Ekel, Scham und Hilflosigkeit oder Wut auf sich selbst im Vordergrund. Kompensatorische Maßnahmen zur Gewichtsregulation werden selten ergriffen, daher kommt es bei der Binge-Eating-Störung in Folge der Essanfälle oft zu ausgeprägter Gewichtszunahme bzw. Adipositas.
Mischformen (Nicht näher bezeichnete Essstörungen): Mischformen bezeichnet - wie der Name schon sagt - solche Essstörungen, bei denen nicht die charakteristischen Merkmale der oben genannten Essstörungen erfüllt sind.
Habe ich eine Essstörung?
Ein kurzer Selbsttest kann nie zur Diagnosestellung herangezogen werden. Es handelt sich lediglich um eine Möglichkeit herauszufinden, ob bei Ihnen ein Risiko für die Entwicklung einer Essstörung besteht.
Sollten Sie mehrere der folgenden Fragen mit "Ja" beantworten, könnte es sinnvoll sein, diese Fragen mit Ihrem Hausarzt oder einem Psychotherapeuten zu besprechen.
Behandlung
Idealerweise sollte eine Essstörungsbehandlung sowohl von einem Psychotherapeuten als auch von einem Arzt begleitet werden. Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen sind vor allem aufgrund der häufig auftretenden körperlichen Folgeerkrankungen unverzichtbar. Im Rahmen der Psychotherapie wird eine Normalisierung des Essverhaltens und ein Abbau gegensteuernder Maßnahmen zur Gewichtskontrolle abgestrebt. Darüber hinaus werden aufrechterhaltende Faktoren der Essstörung (z. B. niedriges Selbstwertgefühl, Vermeidung unangenehmer Gefühle, familiäre Konflikte, ausgeprägte Leistungsorientierung) im Verlauf der Therapie identifiziert und schrittweise verändert. Problematische Denk- und Verhaltensmuster werden kritisch reflektiert, alternative Möglichkeiten zum Umgang mit herausfordernden Situationen werden eingeübt. Die Erfahrung zeigt, dass ein Einbezug wichtiger Bezugspersonen in die Psychotherapie sehr wichtig sein kann, auch wenn dieser Schritt oftmals Überwindung erfordert. Je früher eine Behandlung in Anspruch genommen wird, desto besser ist die Prognose. Es handelt sich bei einer Essstörung um eine schwerwiegende und unbedingt ernst zu nehmende Problematik, welche oftmals auch zum Tod führen kann.
Die Therapieplanung erfolgt immer auf Basis Ihrer individuellen Situation und im Hinblick auf konkrete, mit therapeutischer Unterstützung erarbeitete, realistische und erreichbare Therapieziele. Sie möchten den ersten Schritt in Richtung Veränderung machen?